Mexikanische Kulturen – Die Bewohner von Teotihuacan
Eine Stadt vom Ausmaß des antiken Rom, die das gesamte Gebiet des heutigen Mexiko beeinflusste, wie die Griechen Europa. Doch wir kennen weder ihren Namen, noch wissen wir, woher die Menschen kamen und warum sie verschwanden. Teotihuacan – Ort, an dem die Menschen zu Göttern werden – nannten die Azteken ehrfurchtsvoll den Platz mit den riesigen Ruinen nahe ihre Hauptstadt, dem heutigen Mexiko City.
Zur Geschichte eines verschollenen Volkes
Im Hochtal von Mexiko siedelten auf dem Gebiet der späteren Stadt Teotihuacan seit dem sechsten vorchristlichen Jahrhundert dauerhaft Menschen. Als kurz nach der Zeitenwende Vulkanausbrüche einige regionale Zentren zerstörten, flohen viele Überlebende in den damals 20 000 Einwohner zählenden Ort. In den ersten zwei Jahrhunderten nach Christus erreichte Teotihuacan bereits seine volle bauliche und kulturelle Ausprägung. Alle prägnanten Großbauten errichteten die Bewohner in diesen Jahren und die Siedlung stieg schnell zur dominierenden Macht des Hochlandes auf. Die Bevölkerung wuchs durch Zuwanderung aus ganz Mesoamerika auf 150 000 bis 200 000 Menschen an. Ihre Blütezeit erlebte die multikulturell geprägte Metropole vom fünften bis ins siebente Jahrhundert hinein. Ihr wirtschaftlicher und kultureller Einfluss erstreckte sich vom heutigen Grenzgebiet mit den USA im Norden bis ins Mayagebiet des heutigen Guatemala.
Nach 600 schwinden kulturelle Ausstrahlung und ökonomische Vorherrschaft schnell, was selbst in der Mayakultur Krisen verursachte. Schon einhundert Jahre später ist von der einstigen Pracht nichts mehr übrig, die Stadt zerstört und aufgegeben.
Die Stadt der Götter
Das ummauerte Zentrum der Stadt bestand aus der 50 Meter breiten und fünf Kilometer langen „Straße der Toten“ und der an ihr errichteten religiösen und politischen Repräsentativbauten. Den Mittelpunkt bildete die 65 Meter hohe Sonnenpyramide. Das nördlichen Ende der Zeremonialstraße bildete die kleinere Mondpyramide und der anliegende Quetzalpapalotl Palast. Im Süden begrenzten sie das Herrschafts- und Verwaltungszentrum „Ciudadela“ und der Quetzalcoatl-Tempel. Die ganze Straße säumten Wohnbauten der städtischen Elite und Tempel.
Außerhalb dieser repräsentativen Zone lagen rund 2200 Wohnkomplexe mit jeweils eigenem Tempel. Hier lebte die Masse der Bevölkerung, getrennt nach sozialer Schicht, Beruf und regionaler Herkunft.
Religion und Kultur
Im Leben der Bewohner spielte die Religion, besonders Regen- und Fruchtbargötter, eine zentrale Rolle. Die sie verehrenden Rituale beinhalteten auch Menschenopfer.
Zahlreiche Wohnhäuser wiesen farbige Wandbemalungen mit religiösen, Natur- oder Alltagsmotiven auf. In die Repräsentativbauten integrierten die Baumeister Skulpturen als architektonische Details. Daneben fand man Kleinkunst aus Stein, Alabaster oder Obsidian.
Anhand der Stadtanlage ist ein hoher Grad von mathematischen und astronomischen Kenntnissen anzunehmen.
Handelsimperium und Obsidianmonopol
Ein intensiver Bewässerungsfeldbau bildete die Grundlage der Kultur von Teotihuacan. Dennoch musste fast die Hälfte der Nahrungsmittel importiert werden. Auch Jagd und Fischfang trugen zur Ernährung bei.
Teotihuacans ökonomische Vormachtstellung beruhte auf dem Obsidianmonopol in Mesoamerika. Dieses „Vulkanglas“ nutzten Kunsthandwerker und Waffenproduzenten in mehreren hundert Werkstätten und vor allem Fernhändler.
Über den Fernhandel begründete und sicherte die Stadt ihre kulturelle und wirtschaftliche Ausnahme- und Vorrangstellung im Gebiet des heutigen Mexiko und erlangte dadurch Güter, die in ihrer Umgebung nicht vorkamen: Baumwolle, Kakao, Türkis, Quetzal-Federn, Gold, Weihrauch. Direktes militärisches Eingreifen ist bisher nur aus dem Mayagebiet um Tikal bekannt.
Weltkulturerbe
Ein Großteil des antiken Teotihuacan liegt heute unter fünf Ortschaften, Farmen, Handelszentren und Mexikos größter Militärbasis „begraben“. Das alte Stadtzentrum mit seinen Repräsentativbauten ist ein touristisches Highlight Mexikos und gehört seit 1987 zum Weltkulturerbe. Unweit der einstigen Metropole befindet sich die Stadt San Juan Teotihuacan.
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts erfolgt eine Erforschung der Ruinenstätte durch professionelle archäologische Grabungen. Trotz vieler Funde und Hinweise der Archäologen in ganz Mesoamerika besitzen wir auch heute kaum mehr gesichertes Wissen über die Menschen von Teotihuacan, als die Azteken bei der Entdeckung der Ruinen vor etwa 700 Jahren.